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Heimgesänge #2: Warum tut singen so gut?

Seit meinem 8. Lebensjahr mache ich Musik. Erst war das Tenorhorn, dann die Posaune mit Studium, Theaterzeit und Kammermusik. Mit 41 der Saitenwechsel zum Klavier. Sieben Jahre später kamen 2018 Gitarre und Gesang dazu.

Dafür der Auslöser war die Schulung für mein Betreuungszertifikat. Im Praktikum gab es eine Kollegin mit Klampfe. Immer wenn sie angekündigt, war bei den Bewohnern eine gewisse Vorfreude. Nicht, weil es Musik gab. Sondern: Weil sie singen durften.

Seit dieser Erfahrung ist die Gitarre auch meine ständige Begleiterin. Nach drei Jahren und hunderten Seniorensingrunden habe ich mittlerweile rund 50 Lieblingslieder der Generation 70+ in meinem Kopf.

Eingesammelt immer wieder mit der Frage: „Was wollt Ihr eigentlich singen?“ Denn: Erst Lieblingslieder sind Aktivierung durch intrinsische Motivation. Sie sind immer dabei, funktionieren auswendig, brauchen keine Notenmappe und machen keine Probleme beim Lesen.

Heimbewohner wollen singen: singen ist ein Heimvorteil

Aber: Warum ist das eigentlich so? Was ist am Singen so gut? Was macht es bei den Bewohnern so beliebt? Was geschieht beim Singen im Körper, das es so wertvoll macht? Warum können regelmäßig singende Bewohner für eine ganze Einrichtung wertvoll sein? Hier ein paar Fakten in Stichpunktform.

Glückshormone

Oxytocin, Serotonin, Dopamin, Endorphin – all dies sind Hormone, die nach einer 30-minütigen Chorprobe stärker im Körper vorhanden sind, als vorher.

Nachgewiesen wurde dies in verschiedenen Untersuchungen. Zum Beispiel von Wissenschaftlern der Universität Stockholm, Schweden. Wofür Glückshormone gut sind, steht außer Frage. Beim Seniorensingen werden sie produziert.

Kreislauf

Singen ist für den Körper so anstrengend wie Dehnübungen oder leichter Sport. 10 bis 15 Minuten bewusst und laut singen reichen aus, um das Herz-Kreislauf-System in Schwung zu bringen.

Atmung

Menschen, die nur wenig Bewegung haben, atmen meist sehr flach. Je weniger der gesamte Atemapparat trainiert ist, umso anfälliger ist er für Krankheitserreger.

Beim Singen wiederum wird viel geatmet. Die Tiefenatmung kommt wieder in Schwung. Lunge samt Lungenblase werden belüftet. Die Sauerstoffsättigung wird erhöht. Singen ist Pneumonieprophylaxe in Bestform. Für Dauerlieger und ganze Wohnbereiche.

Abwehrkräfte

Bewegungen, die wir beim Singen durchführen, fördern die Bildung von Immunglobulin A. IgA sind Eiweiße, die zum Immunsystem gehören. Sie bilden an den Schleimhäuten einen Schutz gegen Krankheitserreger.

IgA? Der Volksmund nennt sie: Antikörper. Dass sie nach einer 30-minütigen Singrunde stärker im Körper vorkommen als vorher, wurde in diversen Studien belegt. Zum Beispiel von der Goethe-Universität Frankfurt/Main, Institut für Musikpädagogik.

Deprivationsprophylaxe

Rückzugstendenzen: Will man nicht haben, kommen aber vor – selbst in der besten Pflegeeinrichtung. Bewohner, die sich in sich selbst oder ihr Zimmer zurückziehen, bedeuten aber früher oder später einen erhöhten Pflegeaufwand.

Gemeinsames Singen heißt, die Gruppe als etwas Positives zu erleben. Wer gerne in der Gruppe ist, wird weniger anfällig für Rückzugstendenzen.

Aufmerksamkeit

Ein Grundbedürfnis. Wer zuwenig davon hat, besorgt sie sich: durch negative Aufmerksamkeit. In der Echtwelt durch große Autos. In der Pflege als Rufer oder Klopfer.

Singen stärkt die Selbstwahrnehmung. Aufmerksamkeit für sich selbst bedeutet weniger Aufmerksamkeitsdefizit. Das ist gut für die Bewohner und schont die Belegschaft.

Identität

Nur wenige Menschen sind freiwillig in einer Pflegeeinrichtung. Der Umzug in den letzten großen Lebensabschnitt aber ist doppelt schwer. Denn er heißt auch: Aufgabe der Autonomie. Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Und wenn doch nötig, wird es leichter, wenn man ihm hilft, sich mit dem neuen Ort zu identifizieren.

Zum Beispiel: durch Erlebnisse. Gemeinschaftliches Singen ist ein tolles Erlebnis. Es hilft, sich mit dem neuen Leben am neuen Ort schneller und besser zu identifizieren.

Wo man nicht gern ist, wird schnell der kleinste Anlass zum nervigen Dauerproblem. Wo man aber gerne lebt, ist auch ein komplett anderer Umgang miteinander. Singen schafft Idendität. Da, wo man singt, da lass Dich ruhig nieder. In diesem Sinne: singenmitsenioren.com

Belegquellen:

http://idwf.de/-SOHAA

https://link.springer.com/article/10.1007/BF02734261

https://www.br.de/radio/bayern1/singen-102.html

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